Verzichten oder Wiederentdecken
Greta Thunberg legt mit ihren Protesten den Finger in die Wunde der modernen Industriegesellschaften. Wahr ist aber auch, dass sie so unglaublich viele Kritiker hat. Viele von uns reagieren empfindlich, sobald davon die Rede ist, auf Fleisch, das Fliegen und das Auto zu verzichten. Einschränkungen also: Wir fühlen uns bedroht, empfinden die Thematik als eine Art Bevormundung. Schauen wir aber genauer hin, konfrontiert uns dieses Thema mit etwas, das die Menschen schon sehr lange kennen.
Noch während meiner Kindheit hielt sich manche Familie ein oder zwei Schweine übers Jahr. Wie viel Schweine die Familie füttern konnte, hing sicher von mehreren Faktoren ab. Eine wichtige Frage dabei war bestimmt: Wie viel Land gehört zum Hof und wie viel Futter kann die Familie anbauen? Der Familie wäre nie in den Sinn gekommen, etwas zu tun, das dem Boden schaden könnte. Natürlich musste der Schweinemist auch wieder auf die Felder. Es blieb also bei den zwei Schweinen pro Jahr und allen, vom Kleinkind bis zum Opa war klar: Die Wurst in der Speisekammer sollte bis zum nächsten Schlachten reichen. Die Entscheidungen der Familie sind eingebettet in ein bestimmtes Verhältnis. Mehr geht eben nicht.
An dem Punkt fällt es leicht zu erkennen, dass die Familie eine Beziehung zu ihren Schweinen hatte. Außerdem hatte jeder vor Augen wie im Winter eine Wurst nach der anderen aus der Speisekammer geholt wurde. In unserer modernen Zeit fehlt uns dieses unmittelbare Erleben. Wir stehen dieser abgepackten Ware im Supermarkt sehr gleichgültig gegenüber. Jeden Tag wandert neue Ware ins Regal und es fällt uns schwer, die Mühen nachzuempfinden, die jemand geleistet haben muss, um das Fleisch zu erzeugen.
In der aktuellen Debatte geht es für mich darum, gesunde Verhältnisse wiederzuentdecken. Wir gehen also zusammen raus auf den Hof, schauen uns um und fragen uns: Wie geht es dem Boden? Wie geht es den Schweinen? Reicht das Fleisch bis zum nächsten Schlachten? Da wir keine Beziehung mehr zu unseren Tieren haben, ist es hier schon eine Art Kopfleistung, Verhalten zu ändern. Trotzdem ist es aber möglich. Wir führen also unser Verhalten zurück in einen gesunden Kreislauf. Aber weniger Fleisch zu essen, bedeutet nicht, auf Fleisch ganz verzichten zu müssen. Entscheidend ist das Auspendeln auf ein gesundes Maß. Es wäre niemandem gedient, entstünden aus der Klimadebatte neue Extreme. Insofern wünsche ich mir zu diesem Thema mehr Leichtigkeit und Kreativität.